Das sind die richtig harten Erinnerungen aus der Kindheit, die mit Vollgas auf deinen Körper treffen und du wirst ersteinmal, mit einer dramatischen Schusswundenbewegung auf den Boden geschleudert.
2005 – Massen an Teenager kleiden sich, ganz gegen die Vorstellungen ihrer Eltern plötzlich schwarz und jeder einen dicken, fetten Lidstrich unter dem Auge. Reihenweise fallen junge Menschen in Ohnmacht, sobald die ersten Gitarrenriffe von »Durch den Monsun« erklingen. Auf der anderen Seite schimpfen böse Zungen anonym in Internetforen und Radiosender weigern sich diese vier Jungs aus Magdeburg auf ihrem Sender zu spielen.
Bill, Tom, Georg und Gustav sind 15 Jahre alt, als sie die Schule nicht mehr besuchen können, weil sie von heute auf morgen plötzlich unmöglich berühmt sind.
Die Kaulitz – Zwillinge Bill und Tom haben schon früh Unterstützung im musikalischen Bereich durch ihren Stiefvater erfahren und sind erst noch unter dem Duettnamen »Black Questionmark« aufgetreten. Nachdem sie Gustav und Georg kennengelernt haben und Toms Gitarrenspiel in einer Tageszeitung als »teuflisch« beschrieben wurden, wurde der Bandname in »Devlish« gewechselt. Die Exzentrik der Zwillinge hat schon im frühen Alter in der Schule (mit Lehrer und Klassenkamerade) Probleme bedeutet. Das ging sogar so weit, dass manche Lehrer sie nicht unterrichten wollten.
Mit 15 dann der Durchbruch und plötzlich konnten sie nicht mehr in die Schule gehen, sondern waren Superstars, ja eigentlich sogar Weltstars.
Tokio Hotel war kurzzeitig die weltweit komerziell-erfolgreichste Band aus Deutschland. Die meisten Fans der vier Jungs sind in Frankreich und in den USA zu finden.
Eine unmögliche Popularisierung hat ihnen die absolut krasseste Publicity beschert und wenn du mit 15 Jahren berühmt wirst und dann Jahre lang nichts anderes machst, als immer auf Tour durch die Welt und immer auf Achse sein und ein Preis nach dem anderen, ein Interview dazwischen und immer und überall unter Beobachtung, immer belagert von Fans, teilweise sogar verfolgt von Neidern, dann wirst du doch irgendwie blöd oder?
ODER? – Wer würde das nicht werden?
Immer wieder ein Album, immer wieder der eine oder andere Skandal. Wir waren in der Grundschule, als der größte Erfolg der Band war, nur noch die »Bravo Hits 2005« mit »Durch den Monsun« erinnern noch daran, dass da ja was war, aber sonst, sind die ja irgendwie verschwunden.
Korrekt nicht nur irgendwie verschwunden, sondern ganz klar und deutlich geflohen. Nach Jahrelanger Fanverfolgung (die haben Tagein-Tagaus vor deren Haus gecampt!?!) sind die Zwillinge dann nach Los Angeles geflohen, denn unter Stars fallen Stars nicht so leicht auf.
Meine Person ist durch ein empfohlenes Video auf YouTube wieder einmal darauf aufmerksam geworden und nachdem ich mir das angesehen hatte, war ich irgendwie positiv überrascht, dass aus Kinderstars (und irgendwie waren sie ja nichts anderes) so reife, nachdenkliche und auch sehr eloquente Menschen werden können, die aber trotzdem noch auf dem Bode geblieben sind. Dieses Video ist zum Totlachen:
Zahlreiche Interviews aus den ersten Jahren, aber vor allem die Interviews auf ihrer letzten Tour zu »Kings of Suburbia« finde ich irgendwie sehr interessant.
Wie sie sich entwickelt haben und ganz gegen ihre ersten Jahre, als sie einfach das Rockstarklischee gelebt haben, sind die vier jungen Männer jetzt erwachsen.
Bill Kaulitz ist immer noch sehr extravagant, tritt modisch sehr auffällig auf und hat auch nach wie vor eine sehr feminine Seite an sich. Aber auf der anderen Seite hat er jetzt irgendwie auch ein anderes Styling, ist sehr ruhig, ziemlich entspannt und reif.
Bill kann auch heute noch kein Instrument spielen, sondern »nur« singen, liebt seinen Hund Pumba über alles und ist auch immer noch der, der die Antworten in Interviews gibt.
Tom Kaulitz macht immer noch blöde, perverse Witze, trägt jetzt aber weder Dradlocks, noch Rastas, noch sehr weite Hosen oder Pullis. Stattdessen hat er jetzt wirklich wunderschönes langes Haar, meist zu einem Zopf zusammengebunden, ist immer noch eher im HipHop-Bereich zu finden, aber trotzdem wirkt er sehr viel erwachsener.
Ich bin wirklich beeindruckt, was er so an Musikinstrumenten spielt. Schließlich ist er nicht nur ein sehr talentierter Gitarrist, nein er spielt auch Schlagzeug und hat für das neue Album »Dream Machine« fast alles selbst produziert.
Gustav ist mittlerweile schon verheiratet, hat eine Tochter und liebt das absolut, er hört immer noch gerne Metalbands und ist im Gegensatz zu dem Rest der Band auch nicht vegetarisch. Interviews findet er immer noch grausam und deswegen ist er nunmal ein echtes Drummerklischee: ruhig und etwas murrig.
Mit Georg ist die Dynamik der Band perfekt ergänzt, denn wenn Bill und Tom dann mal in den Interviews schweigen, wirft der einen sarkastischen Satz ein und schweigt dann wieder ganz cool. Seine langen, glänzenden Haare hat er aber leider gegen einen flotten Kurzhaarschnitt getauscht.
Zusammen sind die vier eine Band, ja wie sie selbst sagen eigentlich schon fast eine kleine Familie. Kein Wunder, die kennen sich immerhin schon 12 Jahre und haben da bisweilen auf engsten Raum miteinander gelebt. Die Dynamik zwischen den vier ist genau passend, super harmonisch, bis kindlich und irgendwie auch Geschwister-ähnlich.
Bis letzte Woche waren sie jetzt auf der Tour für ihr neues Album »Dream Machine«, das gefühlt nochmal so viel anders, als ihre anderen Alben ist. So wird es auch beworben, denn »Dream Machine« ist retro, das zeigt uns das Albumcover (erinnert an Stranger Things, wovon Bill auch großer Fan ist by the way) und auch der Look für die Pressefotos ist eher auf 70er Jahre getunt. Mit der Platte wollten sie wieder Musik machen, wie am Anfang: ohne Druck, ohne Vergleiche mit den anderen Platten, ohne Aussicht auf Erfolg, fast schon jungfräulich. Die Musik hingegen ist nicht wirklich Tokio Hotel, sondern sehr, sehr modern und als Kontrast zum Look eher technisch-popig-modern. Obwohl meine Wenigkeit davon nicht wirklich der größte Fan ist, muss ich sagen, dass genau dieses Lieder den Magdeburgern gar nicht so schlecht stehen und sie klingen auch gut.
Vor allem »What If« hat mir einen unglaublichen Ohrwurm verpasst und peppt auch irgendwie wieder auf. Das ist richtig energetisch.
Der Hype um Tokio Hotel ist abgeflaut, alle sind älter und reifer geworden, die Musik hat sich gewandelt, sie müssen nicht mehr nur in den großen Hallen spielen, sondern haben für die neue Tour auch einmal kleine Locations ausgesucht.
Sie sind immer noch unglaublich selbstbewusst, immer noch exzentrisch und haben auch weltweit immer noch unglaublich viele Fans, aber jetzt sind sie immerhin schon fast 12 Jahre dabei und das macht sie schon zu alten Hasen im Showgeschäft.
Tokio Hotel – ein Phänomen für sich und irgendwie (und ich kann es auch nicht wirklich erklären) finde ich diese Band nicht unsympathisch. Sie sind ja immerhin auch ein Stück Kindheit für mich und deswegen beobachte ich gerne und höchst fasziniert, wie die Menschen hinter den Rollen immer mehr durchblitzen und wie die vier Jungs aus Deutschland mit dem Welterfolg heute umgehen.
Kennt ihr Tokio Hotel? Fan, Feind oder mittendrin? An die Jüngeren: habt ihr überhaupt schon von denen gehört? Wie findet ihr das neue Album, wie den neuen Look? Wie empfindet ihr die vier jungen Männer? – Lasst es mich wissen!
Nati
Ich mag Tokio Hotel sehr. Sie sind eigentlich die letzten richtige Stars die Deutschland hervor gebracht hat und die auch im Ausland Erfolge feiern konnten. Immer wieder lese ich englische Kommentare wie „They are such a big part of my adolescence“ oder „You were no real emo if you never loved Tokio Hotel“, irgendwie haben sie eine ganze Generation geprägt. Man sollte Ihnen den Erfolg auch gönnen können. Ach und sie kennen sich aber schon seit 2000, also seit 17 Jahren. 🙂
freidichterin
Sympathische Band, auf jeden Fall und obwohl ich nie richtig Emo war, waren sie auch Teil meines Erwachsenwerdens.
Ganz gleich ob man sie jetzt mag oder nicht (das bleibt ja auch jedem selbst überlassen), jeder muss zugeben, dass sie es ungemein drauf hatten, die Massen zu begeistern.
Ich hab doch in meinem Artikel überhaupt nicht erwähnt, wann genau sie sich kennengelernt haben, oder?
Aber danke für die Info!
Liebe Grüße Itchy
sternenbrise
Ohjeeee Tokio Hotel 😀 Ich war Fan ab der ersten Sekunde. 5 Konzerte, bin für die lange gereist, habe ab Mitternacht angestanden. Und ja dunkel gekleidet, Haare gefärbt, fetter Lidstrich. Das waren noch Zeiten:D Ich habe alles gesammelt, was ich finden konnte. Als sie dann das Land verlassen haben und zu englischen Songs gewechselt haben, war bei mir das Fansein langsam vorbei. Mit 16 verändert man sich ja auch selbst.
Letztens musste ich auch wieder an sie denken und habe mir neuer Videos angeschaut. Die neue Musik finde ich jetzt nicht ganz so gut, aber ich finde es schön, dass sie privat immer noch so lustig und symapthsich sind wie damals. Man ist ja sozusagen mit ihnen aufgewachsen, Ich war viele Jahre ein Fan und ich freue mich einfach, dass es ihnen gut geht.
Du hast da einen ganz tollen Artikel geschrieben! Sehr schön zu lesen 🙂
freidichterin
Aww Charline, du kannst einfach immer wieder überraschen 😀
Finde ich immer wieder schön, was man alles so erfährt.
Dankeschön 🙂
wordBUZZz
Um ehrlich zu sein, war ich damals entweder zu jung oder völlig unempfänglich für diese Band 😀 Ich fand sie ziemlich ätzend, vor allem als sie mit dem Randalieren angefangen haben. Musikalisch konnte ich mit denen überhaupt nichts anfangen stand ich noch total im “Ärzte” und “Peter Fox”- Wahn.
Dennoch: Durch den “Konsum” erfreut sich jeder auf Klassen- Kurs oder Freizeitfahrten.
Dein Artikel ist trotzdem klasse, und Bill sieht immer noch gut aus 😀
freidichterin
War auch nie wirklich Fan, aber auch nie Feind. Die Musik ist natürlich ein Streitpunkt, aber aus heutiger Sicht eigentlich nur süß und nicht so wirklich peinlich, sie waren ja erst 15 Jahre alt. Peter. Ja Bill und Tom haben beide sehr attraktive Gesichter und einen wirklich guten Kleidungsstil – I like it! Sänks a lot!
MAI 2017 | freigedichtung
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