Inhalt

Eigentlich paradox, dass hinter dieser Aussage ein ca. 240 Seiten schweres Buch steckt, in dem sie eben doch spricht: über Hautfarbe, die Kolonialgeschichte Großbritanniens, White Privilige, Farbenblindheit und strukturellen Rassismus.
In diesem Buch geht es nicht um den offensichtlichen Rassismus, sondern um den unbemerkten Rassismus.
Sie spürt den Wurzeln der Vorurteile nach, zeigt auf, dass die Ungleichbehandlung von Weißen und People of Colour in unserem System seit Generationen eingeschrieben ist.
Das zeigt sich nicht nur durch die Angst vor Immigration, sondern auch in Protestwellen gegen eine schwarze Hermine Granger oder Fynn, der als schwarzer Stormtrooper in den letzten beiden Star Wars Episoden eine führende Rolle eingenommen hat.
Rassismus ist nicht nur etwas, das bei Nazis und offenen Rassisten zu finden ist, sondern auch bei vermeintlich toleranten Menschen auftaucht.
Sie räumt auf mit den Linksliberalen und weißen FeministInnen, die durch Aussagen und Haltungen manch einem Rassisten in die Hände spielen.


Meine Meinung

Angefangen hat alles, nachdem die Autorin 2014 einen Blogpost mit genau diesem Titel veröffentlicht hat – die Reaktionen waren laut. Dieser Blogpost ist im einleitenden Kapitel des Buchs zu finden, ebenso die Erklärung warum sie nicht mehr mit Weißen über Hautfarbe spricht. Und dann tut sie es doch. Das Kapitel endet mit dem Satz:


„Wir können es uns nicht leisten zu schweigen. Dieses Buch ist ein Versuch zu sprechen.“

Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche: Reni Eddo-Lodge S.18

Dann gibt das Buch einen historischer Rückblick auf die Kolonialgeschichte Englands. Einen  groben Überblick über Sklaverei und wie der Rassismus seinen Einzug hatte.
Sie macht klar, dass Rassismus nicht plötzlich aufgetaucht ist, sondern schon immer Teil des Systems war. Rassismus ist nichts eigenständiges, sondern in allen Bereichen unserer Gesellschaft vertreten, festgestampft, er steckt praktisch mitten im System verankert und das muss sich ändern.


„White Privilege ist die Tatsache, dass deine Hautfarbe, wenn du weiß bist, den Verlauf deines Lebens mit großer Sicherheit positiv beeinflussen wird. Und du wirst es wahrscheinlich nicht einmal bemerken.“

Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche: Reni Eddo-Lodge S.98

Damit ist vor allem nicht gemeint, dass alle Weißen in Luxus aufwachsen.
Sondern, dass deine Chance auf ein Vorstellungsgespräch sehr viel größer sind, wenn du einen britisch klingenden Namen hast, statt eines afrikanisch oder asiatisch klingenden.
Es kann nicht von einem diskriminierungsfreien Miteinander die Rede sein, bei dem nur die Leistung und nicht die Herkunft eine Rolle spielt. Es käme einem Selbstbetrug gleich, würde man glauben, „dass die homogene Schwemme weißer Männer mittleren Alters, die derzeit die höheren Ränge der meisten Unternehmen verstopft, allein aufgrund ihrer Begabung dort angespült wurde. Wir leben nicht in einer auf Leistung gegründeten Gesellschaft, und vorzugeben, dass harte Arbeit immer zum Erfolg führt, ist ein Akt vorsätzlicher Ignoranz.“
In diesem Zusammenhang wird gerade mir als Weißer Leserin wieder einmal aufgezeigt, wie wenig man sich mit seiner Hautfarbe beschäftigt, wenn man Weiß ist. Weil Weiß die Norm ist, sagt Reni Eddo-Lodge. Weil Weiß sein ein Privileg ist.

Sie sagt, dass es denjenigen leicht falle Hautfarbe nicht zum Thema zu machen, die eben privilegiert sind.
Großes Thema Farbenblindheit: nur jemand der selbst privilegiert ist, kann davon sprechen, dass er keine Hautfarben sieht. Um etwas in den ungerechten rassistischen Strukturen zu verändern, müssen wir Hautfarbe sehen.
Denn mit dieser Farbenblindheit wird verschwiegen, dass Rassismus existiert, es wird nicht anerkannt, dass jemand Rassismus erlebt hat. Das geht auch von vermeintlich toleranten Menschen aus, sagt Eddo-Lodge: Wer sagt er oder sie sähe keine Hautfarbe macht sich zum Instrument des strukturellen Rassismus, denn dann verändert sich nichts.

Am Ende ordnet sie den unbemerkten Rassismus ins aktuelle Zeitgeschehen ein. Mit Trump und dem Brexit, dem Erstarken der rechten Parteien in Europa und der großen Angst vor den Flüchtlingen, die irgendwann die weißen Briten auslöschen werden, laut dem früheren Vorsitzenden der British National Party Nick Griffin.

Aber warum will sie nicht mehr mit Weißen über Hautfarbe sprechen?
Sie will mit Weißen nicht mehr über Hautfarbe sprechen, weil diese das verleugnen. Sie sagen, dass Hautfarbe doch keine Rolle mehr spielt. Denken nicht drüber nach, sehen das systematische Problem nicht mehr.
Dieses Buch wurde zum Katalysator: jetzt kann die Debatte richtig beginnen.


„Ich betrachte mich als Teil einer Bewegung, und ich glaube, wenn dich tief berührt, was du in diesem Buch liest, dann bist auch du Teil dieser Bewegung. Es geschieht genau jetzt.“

Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche: Reni Eddo-Lodge S.236

Das schreibt sie im letzten Kapitel. Sie zitiert Terry Pratchett und sagt, dass es genau das zusammenfasst, den Kampf der Antirassisten:
„Es gibt keine Gerechtigkeit, es gibt nur uns.“

Autorin

Reni Eddo-Lodge ist ist eine britische Kolumnistin und Journalistin mit den Schwerpunkten Feminismus und Rassismus

Fazit: Ich lese nicht viele Sachbücher, aber das hier hat mich irgendwann überall angesprungen, seitdem es in deutscher Sprache erschienen ist.
Ich hab es dann einfach gekauft und well, ein bisschen gebraucht.
Es ist echt nicht einfach geschrieben, teilweise sind das ewig lange, echt komplizierte Sätze, die mich im Flow gestört haben. Inhaltlich auch schwere Kost, aber wichtig und richtig und wirklich gut!

Autorin Reni Eddo-Lodge
Übersetzerin Anette Grube
Titel Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche
Hardcover/Softcover Ausgabe
Seitenzahl  236 Seiten
Verlag tropen
ISBN 3608504192
Preis 18,00€
Genre Sachbuch, Gesellschaft
Erschienen 31. März 2019

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